Prof. Dr.-Ing. habil. Arnim Nethe

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Dr. Arnim Nethe

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Forschung

Zeitliche Wärmeentwicklung beim induktiven Härten unter Berücksichtigung der sprunghaften Änderung der Permeabilität beim Erreichen der Curietemperatur

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Einführung in die Problematik

Durch Gefügeumwandlungen, die man durch Erwärmen und anschließendem Abschrecken von Eisenwerkstoffen erreichen kann, lassen sich deren physikalische Materialeigenschaften wie Härte, Verschleißfestigkeit, Dauerschwingfestigkeit und statische Festigkeit wesentlich verbessern.

Die Umwandlungen bestehen im wesentlichen darin, dass zunächst das kubisch-raumzentrierte α-Eisen sowie die Eisenkarbidanteile des Ausgangsgefüges in das kubisch-flächenzentrierte γ-Eisen (Austenit) überführt werden. Hierzu muss das Material mindestens auf die Umwandlungstemperatur erwärmt werden. Da jedoch die Umwandlung und die damit verbundenen Konzentrationsausgleichsvorgänge nicht nur temperaturabhängig sondern auch zeitabhängig sind, müssen insbesondere für rasch ablaufende Verfahren wie das induktive Härten zur vollständigen Austenitisierung etwas höhere Temperaturen bis etwa 1000 °C erzielt werden. Zu hohe Überhitzung führt jedoch zu unerwünschter Grobkornbildung sowie u. U. zu Materialerweichung mit der Gefahr einer Deformierung. Bei langsamem Wiederabkühlen geht der Austenit wieder in die ursprünglichen Gefügebestandteile über. Wird dagegen eine kritische Abkühlgeschwindigkeit überschritten, so sind die im Austenitgitter angeordneten Kohlenstoffatome während der Rückumwandlung von γ-Eisen in α-Eisen nicht mehr in der Lage, die chemische Verbindung mit den Eisenatomen zu Fe3C einzugehen, die für die Perlit oder auch die Zementitbildung notwendig ist. Geht die schnelle Abkühlung bis unter eine Temperatur von 250 °C, so werden die Kohlenstoffatome im entstandenen α-Eisen in feiner Verteilung fixiert, da unterhalb dieser Temperatur der Kohlenstoff seine Wanderungsfähigkeit völlig verliert. Dieses spröde Gefüge wird Martensit genannt und besitzt eine hohe, vom Kohlenstoffgehalt abhängige Härte. Die Höhe der kritischen Abkühlgeschwindigkeit hängt ebenfalls vom Kohlenstoffgehalt ab. Für niedriglegierte Stähle reicht sie von ca. 200 K/s bis 800 K/s. Derartige Abkühlgeschwindigkeiten sind durch Abschrecken in einer Wasserbrause erreichbar.

Das Erreichen eines gewünschten Härteergebnisses ist also an zwei Voraussetzungen gebunden:

  • Das Gefüge muss mindestens auf die Höhe der austenitischen Umwandlungstemperatur erwärmt werden. Da bei der induktiven Erwärmung mit höheren Frequenzen sich die Aufheizung des Werkstücks auf die Randbereiche konzentriert, wird diese Voraussetzung bis zu einer gewissen Schichttiefe erfüllt, die man als Einwärmtiefe bezeichnet.
  • Beim anschließenden Abschrecken darf die kritische Abkühlgeschwindigkeit nicht unterschritten werden, da sonst die zur Härtung notwendige Martensitbildung unterbleibt. Da nach den Gesetzen der Wärmeleitung die Abkühlgeschwindigkeit von der Oberfläche aus ins Werkstückinnere abnimmt, gibt es eine härtungswirksame Abschrecktiefe, innerhalb der die kritische Abkühlgeschwindigkeit überschritten wird.

Die sogenannte Einhärttiefe, also die Schichtdicke, in der eine Härtung erzielt wird, entspricht der kleineren der beiden vorgenannten Größen. Die Abschrecktiefe ist allerdings kaum zuverlässig auf einen gewünschten Wert hin zu steuern. Hingegen ist beim Induktionshärten eine exakte und reproduzierbare Einstellung der Einwärmtiefe möglich und deshalb kann die Härtung je nach Aufgabenstellung auch auf sehr dünne Randschichten (0.1 mm) begrenzt werden.

Eine solche Oberflächenhärtung eines Werkstücks hat den Vorteil, dass die mechanisch besonders hochbeanspruchten Zonen (z.B. Laufflächen) verschleißfest gemacht werden, während die Zähigkeit des Materials im Innern und damit eine hohe Dauerfestigkeit des Werkstücks erhalten bleibt.

Die Zusammenhänge zwischen den wichtigsten Prozessparametern Frequenz, oberflächenbezogene Leistungsdichte, Heizzeit, Oberflächentemperatur am Ende der Heizzeit und Einwärmtiefe sind in der folgenden Abbildung am Beispiel eines Zylinders dargestellt, dessen Radius sehr groß im Vergleich zu den wirksamen Eindringmaßen sein soll.

Prozessparameter für die induktive Oberflächenhärtung von Stahl
Prozessparameter für die induktive Oberflächenhärtung von Stahl.
[aus: Reinecke, F.: Induktives Randschichthärten von Stahlteilen.]

Je höher die verwendete Frequenz, desto dünner sind die Randschichten, auf die sich die Erwärmung konzentriert. Zur Verdeutlichung ist jeweils die Größe des Eindringmaßes d der elektromagnetischen Feldgrößen bei den beiden Frequenzen 500 kHz und 10 kHz mit dargestellt. Grundsätzlich sind bei Anwendung höherer Frequenzen auch größere Leistungsdichten induzierbar als bei niedrigeren.

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Zielstellung

Im Anlehnung an die Berechnung des magnetischen Feldes, für die im ersten Teil des Projektes (STA 442/2-1) eine verbesserte Methode erabeitet wurde, und der damit verbundenen Bestimmung der Verlustleistungsdichte im Werkstück, das gehärtet werden soll, ist die daraus resultierende Temperaturverteilung im Werkstück unter Berücksichtigung der Wärmeleitung zu verschiedenen Zeitpunkten interessant, da sich gezeigt hat, dass diese meistens nicht vernachlässigt werden können. Ziel ist es, die  Möglichkeiten zur Berechnung der Temperaturverteilung für exemplarische Anordnungen unter Berücksichtigung der Wärmeleitung zu untersuchen. Als Schlussfolgerungen dieser Berechnungen lassen sich Voraussagen über die Einhärtetiefe und das Härteprofil im Bauteil durch Wärmeleitung treffen.

Härtungseinrichtung eines industriell eingesetzten rotationssymmetrischen Induktors
Härtungseinrichtung eines industriell eingesetzten rotationssymmetrischen Induktors mit innenliegendem Werkstück, bestehend aus einer Spule, die durch ein wassergekühltes leitendes Vierkantrohr gebildet wird.

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Prozessmodell des Härtungsvorgangs - Ergebnisse

Im allgemeinen Fall stellt ein Härtungsvorgang durch induzierte Ströme ein komplexes Zusammenwirken von thermischen, elektrischen und magnetischen Feldgrößen dar, welche gleichzeitig und im Gesamtraum behandelt werden müssen. Ein zusätzlicher Aufwand entsteht aufgrund der zeitlichen Varianz des Prozesses. Mit der im Projekt STA 442/2-1 entwickelten Methode ist es nun möglich, bei kleinen Eindringtiefen eine entkoppelte Analyse des elektromagnitischen Feldes in leitendenden und nichtleitenden Teilräumen vorzunehmen. Das geschieht durch Ersatz der Leiter durch eine einzige Randbedingung. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass die Materialparameter des Leiters nunmehr auf die Randschicht übertragen werden können.

Das vorliegende Projekt soll sich jedoch mit einem eingeschränkten Temperaturbereich unterhalb der Curietemperatur befassen. Damit kann in Näherung von temperaturunabhängigen Materialeigenschaften ausgegangen werden, was eine weitere Entkopplung erlaubt: die elektromagnetischen und thermischen Größen können nacheinander bestimmt werden. Durch die in einer dünner Schicht an der Materialoberfläche fließenden induzierten Ströme, welche im elektromagnetischen Teilmodell berechnet wurden, entstehen Leistungsdichten, die einen Wärmefluss im Werkstück verursachen.

Zur Lösung dieses Problems wurde dabei die im allgemeinen Fall nichtlineare Differentialgleichung der Wärmeleitung mit den eingeprägten Leistungsdichten als Randbedingung im eindimensionalen Fall gelöst und dargestellt (siehe folgende Abbildung). Oberflächenstrahlung und Konvektion konnten im gewählten Temperaturbereich vernachlässigt werden.

Aus dem auf diese Weise ermittelten räumlichen und zeitlichen Temperaturverlauf kann abschließend die Lage der Einhärtzone bestimmt werden.

Erwärmungs- und Abkühlungskurven: Temperaturverläufe an verschiedenen Werkstückradien
Temperaturverläufe an verschiedenen Werkstückradien (einzelne Kurven: berechnete; zu jeweils vier überlagerte Kurven: gemessene Werte)

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Vergleichende Messungen

Als Energiequelle stand für das induktiver Erhitzen ein Vierquadrantenverstärker PAS 5000 der Firma Spitzenberger und Spies zur Verfügung. Da dieses Gerät nur Ausgangsströme bis zu ca.150 A liefert, wurde statt eines einwindigen Induktors drei 3 mm-Kupferrohrspiralen zu jeweils 6 Windungen verwendet. Der auf diese Weise konstruierte Induktor hat die Form eines Hohlzylinders mit dem Innendurchmesser 44 mm und dem Außendurchmesser 80 mm sowie einer Länge von 10 mm.

Durch Parallelresonanz des Induktors mit freundlicherweise von der Firma EPCOS überlassenen Hochleistungskondensatoren von insgesamt 61.2 uF, die damit erzielte Güte von 2.75 und die Mehrfachwicklung wurde eine Durchflutung vom 49.5-fachen Ausgangsstrom erreicht.

Die Ansteuerung des Leistungsverstärkers erfolgte exakt 10s mit einer Spannung der Frequenz 4800 Hz, erzeugt durch den Frequenzgenerator hp33120A. Gleichzeitig triggerte der Generator das Multimeter hp34120A, welches in vordefinierten Zeitabständen Spannungswerte vom axial unter definiertem Radius in das Werkstück eingesteckten Thermoelement (NiCr/Ni) einlas. Diese übernahm der angeschlossene PC und rechnete sie in Temperaturwerte um.

Versuchsstand zum induktiven Erwärmen
Versuchsstand zum induktiven Erwärmen

Bei dem Werkstück handelt es sich um einen Rundstahl aus St-37 mit einem Durchmesser von 40 mm in dessen Stirnseite für den Temperatursensor beginnend von der Drehachse im Abstand von 3 mm Sackbohrungen eingebracht sind. Simulation und Messungen weisen insbesondere in der Erwärmungsphase sehr gute Übereinstimmung auf.

Induktive Erwärmung
Film: Induktives Erwärmen mpeg-3.8MB/wmv-670kB

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Zusammenfassung

Mit Hilfe einer neu entwickelten Randbedingung dritter Art, die die physikalischen Eigenschaften des Skineffektes bei kleiner Eindringtiefe nachbildet, ist es gelungen, eine entkoppelte Analyse des elektromagnetischen Feldes in leitenden und nicht leitenden Räumen vorzunehmen. Der Vorteil dieser entkoppelten Analyse liegt in einer drastischen Reduktion der Dimension des zu lösenden Gleichungssystems. Die Verringerung der  Rechenzeit und der benötigten Rechenkapazität ist offensichtlich. Die elektromagnetische Rechnung lieferte schließlich die Verlustleistungsdichten, welche die Ausgangsgrößen für die Ermittlung des Temperaturverlaufes darstellen.

In der theoretischen Abhandlung über die Wärmeausbreitungsgleichung wurde deren Lösung für den eindimensionalen Fall unter Einsatz der Randbedingung 2. Art, mit eingeprägter Oberflächenleistung, gelöst. Diese Annahmen entsprechen relativ gut der untersuchten Anordnung. Inwiefern Strahlung und Konvektion, die räumliche Verteilung des Leistungseintrages sowie die mehrdimensionale Temperaturausbreitung zu berücksichtigen sind, bedarf weiterer Untersuchungen.

Die durchgeführten Versuchsreihen zum zeitlichen Temperaturverlauf auf der Oberfläche sowie auch im Wekstück zeigten eine gute Übereinstimmung mit den berechneten Verläufen, insbesondere bei Berücksichtigung des magnetischen Sättigungsverhaltens des Werkstückes in erster Näherung. Dabei wurde die Permeabilität für das entsprechende Werkstückteil gemittelt. Noch bessere Ergebnisse werden sicherlich durch die Berücksichtigung der räumlichen Parameterverteilung in der entwickelten Randbedingung 3. Art erzielt.

Die Versuche belegen, dass durch das aufgestellte Prozessmodell des induktiven Randschichthärtens der Temperaturverlauf mit akzeptabler Genauigkeit vorausbestimmt werden kann und somit konkrete Problemstellungen der industriellen Praxis wie zum Beispiel das induktive Randschichthärten wesentlich effizienter gelöst werden können. In Kombination mit weiteren Berechnungsverfahren könnte jede beliebige Geometrie erschlossen und die notwendigen Berechnungen wesentlich reduziert werden.

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Projektträger:Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Kennwort: Induktives Härten, STA 442/2-2
Projektmitarbeiter:Dipl.-Ing. Thomas Hähndel
Abgeschlossen:November 2000

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